WER, WAS, und WO ist der
Ausgangspunkt von Theaterimprovisationen.
Die Jugendlichen stellen
reale Bezüge zu einem antiken oder zeitgenössischen
Theaterstoff des Lehrplans her und entwickeln ihr Theaterstück
daraus. Innerhalb des
Probenprozesses wird den Schülern neben Theater, auch Tanz,
Dramaturgie, szenisches Schreiben, sowie Gesang und
Sprachgestaltung vermittelt.
In der modernen Schule haben typische männliche Attribute wie Körperkraft, Durchsetzungsstärke und Überlegenheitsstreben an Wert verloren. Heute zählen soziale Qualitäten wie Teamgeist, Empathie oder Kommunikationstalent, was eher weibliche Attribute sind. Theater bietet Jungen im Rollenspiel Orientierungsmöglichkeiten und schafft ein Bewusstsein für die eigene Geschlechterrolle in der heutigen Gesellschaft.
Zusammen mit den benachbarten Bühnenkünsten Tanz und Performance gilt Theater als die flüchtigste aller Kunstformen. Sie ist nicht auf Konservierung und Dauer angelegt, sondern direkt und unmittelbar im Erleben aller Beteiligten, in der Zeiterfahrung und in der Kommunikation. Für die Jugendlichen bietet diese Mischung aus Formgebung und Flüchtigkeit eine besondere Chance: Sie erlaubt ihnen eine Positionierung im „Hier und Jetzt“ in einer zentralen Entwicklungsphase ihres Lebens. Sie nehmen Stellung zu theatralen Gestaltungsmöglichkeiten, zu Themen, Figuren, Bezügen und Beziehungen sowie zum sozialen und gesellschaftlichen Umfeld, das sie umgibt. Diese Positionierung wird auf der Basis einer künstlerischen Formfindung veröffentlicht und kommunizierbar gemacht.
Immer prägt der Erarbeitungsweg nicht nur die Ästhetik, Aussagekraft und Qualität einer Aufführung, sondern entscheidet auch über den Gewinn, den eine Gruppe und jeder einzelne Schüler aus der Theaterarbeit ziehen kann. Alle kennen das Ziel, doch keiner weiß schon am Anfang des Weges, wie es dort genau aussehen wird. Im folgenden möchte ich daher auch nur einige Stationen skizzieren, denn welche Erfahrungen, Verwandlungen und Entwicklungsmöglichkeiten die Strecke birgt, stellt sich erst im gehen raus. Die folgenden 6 Phasen beschreiben den Zeitraum eines Schulhabjahres, mit 1 bis 2 zweistündigen Proben in der Woche, mit Schülern ab der 8. Klassenstufe.
1.Phase: Reinspringen- Motivation, Begeisterung schaffen
Den Schülern soll mit
Gruppenübungen und Theaterimprovisationen im thematischen
Umfeld ausgewählter Stücke ein Zugang zu den Stückinhalten und
theatralen Darstellungsformen ermöglicht werden. Die
Stückauswahl bezieht sich auf den Lehrplan und erfolgt in
Zusammenarbeit mit dem Deutschlehrer.
Die Stückentscheidung oder
die Entscheidung für eine ausgewählte Geschichte wird gemeinsam
mit den Schülern abgestimmt.
2.Phase: Breite schaffen/ Material finden
Improvisationen dienen der
weiteren Annährung an das ausgewählte Stück, sowie dem
Auffinden brauchbarer theatraler
Darstellungsmittel.
Es folgen Rollenexperimente,
Erprobung der Besetzungsmöglichkeiten, Körperarbeit,
Stimmarbeit, Sensibilisierungsübungen, die sich auf
Erfordernisse und Möglichkeiten des Stücks beziehen.
Raumexperimente und Überlegungen zum Bühnenbild und
Kostümgestaltung werden, wenn möglich, in Zusammenarbeit mit
den Fachkollegen durchgeführt. Im Deutschunterricht können
theatertheoretische und/oder das Thema umkreisende Texte
gelesen werden.
3.Phase: Entscheidungen, Kräftekonzentration
Die Richtung der theatralen
Gestaltung wird festgelegt.
Es kommt zur Bildung von
Arbeitsgruppen: Kostüm- und Bühnengestaltung, Dramaturgie,
Öffentlichkeitsarbeit und Organisation (unter Einbeziehung der
Fachlehrer)
4.Phase: Erarbeitung im engeren Sinn
Mit Körpertraining und Improvisationen zu Gestaltungsaufgaben. Die Inszenierung wird szenisch erarbeitet und die Stückfassung konkretisiert.
5.Phase: Zusammenfassung der Ergebnisse
Verschiedene Durchlaufproben mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, z.B. mit Kostümen, mit Licht sowie die Erprobung von Schminke bestimmen die letzten Treffen vor der Aufführung. Das Programmheft wird fertig gestellt und die Aufführung organisatorisch vorbereitet.
6.Phase: Aufführung
Aufführungsvorbereitendes
Training und ein letztes toi, toi, toi.
Anschließendes Gespräch mit
Zuschauern und Spielern.
Auswertung und Reflexion mit
den Schülern und Kollegen.
Das Tun, das heißt trainieren, experimentieren, improvisieren und gestalten geht der Reflexion, Diskussion und Einordnung voraus. Die Spieler erfahren sich zunächst als handelte, gewinnen eine Position im gestaltenden Tun und in der Beobachtung, bevor über Inhalte, Gestaltungsform und –alternativen nachgedacht, gelacht, gestritten und vielleicht sogar gekämpft werden kann. Diskussionen und weitergehende Fragestellungen haben dann einen gemeinsamen Erfahrungshintergrund und ein Gestaltungsziel.
„Wir können nur etwas erkennen und anerkennen wenn wir selbst erkannt und anerkannt werden.“
P A U L R I C O E U
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